Hermann Schulze                  Ständische Sonette

 

 

I. - Ständischer Festgruss

 

O Preußens, Deutschlands Volk! Mit Jubelgruße

Schau’ ich hinaus in alle deine Gauen,

Ob irgendwo ein Antlitz sei zu schauen,

Das nicht hat abgebüßt der Trägheit Buße.

 

Du hast genug in thatenloser Muße

Von Gottes Lust dich lassen überblauen,

Nicht denkend, dir darin ein Haus zu bauen,

Darin du stündest einst mit festem Fuße.

 

Doch nun umher sich tausend Hände regen,

Und tausend Augen hoffnungsleuchtend flammen –

Auch du, mein Gruß, mein Jubelgruß erwache!

 

Fahrt fort, die Steine frisch zurecht zu legen,

Und bald – es sind die Meister schon beisammen –

Steht unter Bau vom Fuße bis zum Dache.

 

 

II. – Der dritte Februar

 

Als jener Ruf an Deutschlands Volk erschalte:

Auf, zu den Waffen, gegen Knechtschafts-Bande!

Auf, zu den Waffen, gegen Sclaven-Schande!

Da war nicht eine Hand, die sich nicht ballte.

 

Und als zum zweiten Mal der Ruf nun hallte

Vom fernen Rhein bis zu dem Ostseestrande,

Da weh’te heiß ein Glüh’n durch alle Lande,

Als ob ein Himmelshauch herniederwallte.

 

Es schlugen uns’re Väter jene Schlachten,

Die aus dem Land den stolzen Feind getrieben,

Und fest geknüpft der deutschen Einheit Bande.

 

Nie soll die Söhne Sclaverei umnachten;

Ihr Muth, ihr Feldgeschrei ist uns geblieben:

Vorwärts! Mit Gott! und Heil dem Vaterlande!

 

 

III. - Aufgebot

 

Fürwahr, es ist ein Aufgebot ergangen

An alle Herzen, die sich jung erhalten,

Und die des Weltgeists wunderbares Walten

Mit Jünglingsgluth vermögen zu umfangen.

 

Doch ihr auch, die ihr von der Rast, der langen

Entherzt seid, o ihr Schwachen und ihr Alten,

Empor, empor! die Seele zu entfalten.

Und abzuthun das Zagen und das Bangen.

 

O nein! Ihr dürft nicht schlafen, dürft nicht träumen,

Da tausend laute, mächt’ge Heroldstimmen

Hinaus zum lichtbeglückten Tagwerk rufen.

 

Hinaus, hinaus drum Alle ohne säumen! –

Und wer nicht kann des Tempels Höh’ erklimmen,

Der weile andachtsvoll u seinen Stufen.

 

 

IV. – Schwert-Weihe

 

Nicht jene Schwerter, die nur Wunden schlagen,

Nicht jene Waffen, die zum Mord nur blitzen,

Nicht stahl, geschwungen, Blut nur zu verspritzen,

Soll fürder man bei uns zu preisen wagen.

 

Doch soll fürwahr kein tapf’rer Mann drum klagen,

Daß wir nicht starke Waffen mehr besitzen

Zu Schutz und Trutz in heißen Kampfes Hitzen –

Ein and’res Schwert jedoch ziemt uns’ren Tagen!

 

Woh! hat jenes Schwert den Sieg errungen,

Doch jetzt laßt’s immer ruh’n an seinem Orte,

Laßt’s ruh’n auf immer von der blut’gen Fehde!

 

Ein Schwert wird fürder nur bei uns geschwungen:

Es wird gekämpft nur mit dem freien Worte,

Den sieg errungen hat die freie Rede! -

 

 

V. – Ständische Heerschau

 

Es kann mein Lied nicht Aller Namen nennen,

Die muthig kämpfen für die deutsche Ehre;

Verewigt hat sie Klio schon, die hehre,

Der Enkel Muth noch spöt dran zu entbrennen.

 

Wer sollte Beckerath, nicht deinen kennen!

Camphausen, Mevissen, der Freiheit Wehre!

Sperling und Vinck, die oft der Adler Lehre, -

Von ihnen darf ich Hansemann nicht trennen.

 

Dann aber mit der Freiheit starkem Schilde

Die wackern Preußen: Saucken, Auerswald, -

Wir haben ihre Thaten wohl erfahren.

 

Gleich muthig kämpfen sie auf dem Gefilde,

Schwerin voran, die markige Gestalt,

Gleichwie der Alte einst vor hundert Jahren! –

 

 

Landtags-Flüsse

 

 

VI. - Rhein

 

Von Alpengletschern stürz’ ich mich mit Brausen,

Durch’s Land der Freiheit strömen meine Fluthen;

Drum will fürwahr es immer mich gemuthen,

Als sollt’ ich nur bei freien Völkern hausen.

 

Und wenn ich rastlos so mit Sturmessausen

Im wilden Sturze abgekühlt die Gluthen,

Fließ’ ich als Wächter deutscher Grenzes-Huthen

In mancher Krümmung ruhigeren Pausen.

 

Dann, wenn vom Deutschen ich getrennt den Franken,

Dann geht’s im vollen, schnellen Lauf nach Preußen,

An hohe Klippen schäum’ ich an mit Tosen;

 

Als wollt’ ich mich an deutsche Burgen ranken:

Denn wie die Weichsel nimmer mag den Reußen,

So mag der deutsche Rhein nicht den Franzosen! -

 

 

VII. - Oder

 

Auf deutschen Bergen hab’ ich meine Wiege,

Es geht mein Lauf durch blühende Gefilde,

Zur seite dienen Berge mir zum Schilde,

Die Zeugen von des großen Königs Siege.

 

So fließ’ ich stolz, bis ich mich seitwärts biege

In’s Märk’sche Land; da werd ich plötzlich milde,

Nicht gleich’ ich mehr dem heimathlichen Bilde,

Fast scheint’s, daß ich im tiefen sand versiege.

 

Noch träger schlepp’ ich mich durch Pommerns Gauen,

Sandwüsten rings, - fast werd ich selbst zu sande,

Wenn ich den trägen Lauf mir nicht verkürze.

 

Nur einmal noch, wo Anclam’s Burg zu schauen,

erbraus ich stolz, bevor ich eil’ zum Strande,

Von dem ich schäumend in die Ostsee stürze. -

 

 

VIII. - Weichsel

 

Wild braus’ ich her durch der Sarmaten Lande,

Des Ostens Schirmer, wie der Rhein des Westen.

Mein starkes Bollwerk sind die mächt’gen Vesten;

Mich selber halten kaum des Ufers Bande.

 

Denn da ich oft geschaut der Knechtschaft Schande,

Die nie ein deutsches Ufer soll verpesten,

Schüttl’ ich mich wild, daß mir von fremden Resten

Nichts hafte an, und eile schnell zum Strande.

 

Kurz ist mein Lauf, nicht weil’ ich an den Küsten;

Doch reichlich kann ich meine Ufer nähren,

Und meine Vesten sind noch nie gefallen.

 

Und nimmer soll’s den Feind danach gelüsten!

Denn hat der nahe Osten seine Bären,

So haben Adler wir mit scharfen Krallen! -

 

 

IX. - Beckerath

 

O du mein Held vom fernen Rheingestade,

Nicht ohne Andacht nenn’ ich deinen Namen,

Zu dessen Segnung tausendfält’ges Amen

Entquillt aus jedem meiner Herzenspfade.

 

Und so zu deinem Gruß ich Alle lade,

Die regen Sinnes rings zu schauen kamen,

Der heilbeglückten Zukunft jungen Samen,

Und dafür anzufleh’n des Himmels Gnade.

 

Du hast zuerst aus deiner Seele Tiefen

Der Freiheit Flammenwort heraufbeschworen,

Der Zukunft großen Tag uns zu erkämpfen.

 

Und alle Ahnungen die jüngst noch schliefen,

es hat dein Zauberwort sie neu geboren,

Und keine Erdgewalt kann mehr sie dämpfen -

 

 

X. - Vincke

 

Du Kämpe mit des Geistes Eisenspitzen,

Du liebst es, wolkenwärts dein Haupt zu tragen,

So daß beim jähen Aneinanderschlagen

Ein Donnern oft hereinbricht undein Blitzen.

 

es sei denn! – Ungewohnt das Stillesitzen,

Magst du hinaus dich in’s Getümmel wagen,

Und scheu nicht erst im heißen Streitefragen,

Ob eine zarte Haut du könntest ritzen.

 

Und so, mit nimmer vorrathsleerem Köcher,

Das Adleraug’ auf deinen Fang gerichtet,

Stehst du auf hoher Warte uns ein Wächter.

 

Und gilt’s – dann bohren deine Pfeile Löcher;

Und hat die Wunde nicht den Feind vernichtet,

Thuts rings ein unauslöschliches Gelächter. -

 

 

XI. - Aldenhoven

 

Zum Bauen wohl gehört zuerst der Bauer,

Denn also ist#s in Wort und That begründet;

Gleichviel, ob dieser Nam’ ein Werk uns kündet

Von dieser oder jener Art und Dauer.

 

Der Eine baut trotz Hitze, Regenschauer,

Bis sich der winz’ge Keim zur Frucht geründet,

Und daß nicht Frost und trifft und Gluth uns zündet,

Erbau’n uns Andre Dach und Fach und Mauer.

 

Du aber, Bauer, weißt geschickter Weise

Des Landes Feld- und Haus-Dienst zu verrichten,

Nach Art der Alleskundigen Panurgen:

 

Denn du bebaust auf deiner Lebensreise

Das Ackerfeld mit nahrungsreichen Früchten,

Und auch das Vaterland mit festen Burgen! -

 

 

XII. – Adolph von Rochow

 

Und jetzt zum Schluß ein Friedensangedenken

inmitten aus des Kampfgewühles Stunden;

Denn nimmer soll auf Trümmer sich und Wunden

Des glorreich großen Tages Sonne senken.

 

Und so denn soll die Zukunft dein gedenken,

Als deß, der keinem Streitgenoß verbunden,

Ward mannhaft, makellos und grad befunden,

Der Geister hohes Lanzenspiel zu lenken.

 

Auf deinem Haupt die königliche Rechte,

in deiner Hand des Vaterlandes sendung, -

So tratst du zu des großen Tages Schranken.

 

Wohl dir, du edler Schiedsmann im Gefechte,

Wohl dir, daß du erkannt des Kampfes Wendung,

Wohl dir fürwahr, - du hörst dir zwiefach danken! -